Wunder: Tatsachen oder Hirngespinste?

Die Bibel ist voll mit fantastischen Wundergeschichten, und viele Skeptiker lehnen den christlichen Glauben allein schon aus diesem Grund ab. Eines vorweg: das Ziel dieses Beitrages ist es nicht zu zeigen, dass die Bibel wahr ist. Der Teil folgt später. Ziel ist es auch nicht, zu zeigen, dass Wunder tatsächlich geschehen oder geschehen sind. Auch dieser Teil folgt später. Die Frage, die es zu klären gilt, heißt: „Sind Wunder generell möglich?“

Dazu betrachten wir die Definition von „Wunder“ aus dem Duden: „außergewöhnliches, den Naturgesetzen oder aller Erfahrung widersprechendes und deshalb der unmittelbaren Einwirkung einer göttlichen Macht oder übernatürlichen Kräften zugeschriebenes Geschehen, Ereignis, das Staunen erregt.“

Jesu Wunder (Auswahl)

Der Skeptiker wendet ein: „Ich hab es doch gesagt! Wunder sind nicht möglich, weil sie den Naturgesetzen widersprechen.“

Halt! Wir erinnern uns an den Beitrag über Pluralismus. Die Aussage „nur wissenschaftlich belegte Aussagen sind wahr“ erfüllt nicht den Anspruch, den sie selbst setzt. Solche und ähnliche Einwände sind daher Mumpitz.

Philosophische Betrachtung von Wundern

Wunder lassen sich per Definition nicht naturwissenschaftlich erforschen oder erklären, weil die Naturwissenschaft sich mit Dingen beschäftigt, die den Naturgesetzen entsprechen und ihnen nicht widersprechen. Ob Wunder möglich sind oder nicht, lässt sich naturwissenschaftlich nicht klären. Dies muss philosophisch geschehen.

Wenn es Gott gibt, dann sind Wunder möglich. Darum waren die letzten drei Beiträge auch über Gottesbeweise. Ein Gott, der aus dem Nichts ein Universum erschafft, für den sind Wunder ein Kinderspiel. Wer Raum, Zeit, Materie und Energie erschaffen kann, der kann auch Wasser zu Wein machen, oder 5000 Menschen mit einer Handvoll Brot sättigen… oder auf dem Wasser laufen… oder eine Jungfrau schwanger werden lassen… oder vom Tod aufstehen.

Der philosophische Einwand gegen Wunder stammt von einem der großen Philosophen und Religionskritiker der Aufklärung, David Hume. Bis heute wird sein Argument unter Philosophen als das beste Argument gegen Wunder gehandelt. Schauen wir es uns an.

Ich will Euch hier den kompletten Text nicht vorenthalten, so dass mir keiner nachsagen kann, ich hätte Hume falsch dargestellt. Fühlt Euch frei das Zitat vorerst nicht zu lesen, und es später genauer zu untersuchen. Ich fasse es weiter unten in fünf Punkten zusammen.

David Humes Argument gegen Wunder

Ein Wunder ist eine Verletzung der Naturgesetze. Da nun eine feste und unveränderliche Erscheinung diesen Gesetzen zu Grunde liegt, so ist der Beweis gegen das Wunder aus der bloßen Natur der Tatsache so stark, wie irgendein der Erfahrung entnommener Beweis nur gedacht werden kann. Weshalb ist es mehr als wahrscheinlich, dass alle Menschen sterben müssen; dass das Blei sich nicht von selbst in der Luft schwebend erhalten kann; dass das Feuer das Holz verzehrt und von Wasser gelöscht wird? Offenbar weil diese Erfolge mit den Gesetzen der Natur übereinstimmend befunden sind, und eine Verletzung dieser Gesetze, d.h. in anderen Worten ein Wunder nötig ist, um sie nicht eintreten zu machen.

Nichts gilt als Wunder, was im gewöhnlichen Lauf der Dinge geschieht. Es ist kein Wunder, wenn ein anscheinend gesunder Mann plötzlich stirbt, weil eine solche Todesart zwar seltener als andere ist, aber doch oft beobachtet worden ist. Aber es wäre ein Wunder, wenn ein toter Mensch wieder lebendig würde, weil dies zu keiner Zeit und in keinem Lande vorgekommen ist. Es muss deshalb eine allgemeine Erfahrung jedem Wunder entgegenstehen, sonst würde das Ereignis nicht diesen Namen verdienen. Und da die allgemeine Erfahrung einen vollen Beweis abgibt, so ergibt hier die Natur der Tatsache selbst einen genauen und vollen Beweis gegen das Dasein dieses Wunders. Dieser Beweis kann nur aufgehoben und das Wunder glaubwürdig gemacht werden, wenn man einen stärkeren Beweis gegen ihn beibringt.

Die einfache Folge ist (und es ist ein allgemeiner Grundsatz, der aller Aufmerksamkeit wert ist), »dass kein Zeugnis zureicht, ein Wunder festzustellen; es müsste denn das Zeugnis der Art sein, dass seine Falschheit wunderbarer wäre als die Tatsache, welche es bekundet; und selbst in diesem Falle besteht eine gegenseitige Aufhebung der Gründe; der stärkere gibt nur noch eine Sicherheit nach dem Grade der Stärke, welche nach Abzug des schwächeren übrig bleibt.« Wenn nun Jemand erzählt, er habe gesehen, dass ein Toter wieder lebendig gemacht worden sei, so überdenke ich sogleich bei mir, ob es wahrscheinlicher sei, dass ein Mensch betrügt oder betrogen ist, oder dass das erzählte Ereignis sich wirklich zugetragen habe.

Humes Argument gegen Wunder in einfachem Deutsch

Das ist kompliziertes und altes Philosophendeutsch. Packen wir sein Argument in einfache und verständliche Aussagen.

  1. Naturgesetze beschreiben per Definition den gewöhnlichen Lauf der Dinge.
  2. Wunder sind außergewöhnliche Ereignisse.
  3. Der Beweis für das Gewöhnliche ist immer stärker als der Beweis für das Außergewöhnliche.
  4. Man gründet seinen Glauben immer auf den stärkeren Beweis.
  5. Darum ist der Glaube an Wunder unbegründet.

So ist es einfacher zu verstehen, und auch einfacher die Fehler zu entdecken. Klar ist, wenn die Prämissen (1) bis (4) stimmen, dann stimmt auch die Schlussfolgerung (5).

Die Fehler in Humes Argument gegen Wunder

Wo sind also die Fehler? Was zuerst auffällt, wenn sein Argument stimmt, dann ist nicht nur der Glaube an Wunder unbegründet, sondern der Glaube an jedes außergewöhnliche Ereignis. Dann ist es unbegründet zu glauben, dass sich die ganze Welt zurzeit im Coronavirus-Lockdown befindet. Dieses Ereignis ist im allerhöchsten Maße außergewöhnlich.

Schuld daran ist Prämisse (3). Der Beweis für das Gewöhnliche ist nicht immer stärker als der Beweis für das Außergewöhnliche, sondern nur meistens. Hume belegt Prämisse (3) gerade damit, dass Wunder angeblich überhaupt nicht geschehen. Als Beispiel bringt er an, dass niemals ein toter Mensch ins Leben zurückgekehrt ist. Prämisse (3) ist also nicht nur an sich falsch, sondern beihaltet als Voraussetzung schon, dass keine Wunder geschehen. Damit entsteht wieder mal ein Zirkelschluss. Es geschehen keine Wunder, also… geschehen keine Wunder.

Aber nicht nur das. Bei genauer Betrachtung ist die Hauptaussage des Argumentes nicht einmal, dass keine Wunder geschehen, geschweige denn, dass Wunder unmöglich sind. Die Hauptaussage ist, dass es angeblich unbegründet ist, an Wunder zu glauben. Über die Existenz oder Möglichkeit von Wundern macht Hume keine echte Aussage.

Warum Humes Argument wertlos ist

So lange die Möglichkeit von Wundern nicht widerlegt ist, so lange ist auch Humes Argument wertlos. Denn angenommen Wunder sind möglich, und Dir sagt jemand, dass Du nicht dran glauben sollst, und zwar egal ob Wunder möglich sind oder nicht möglich sind, egal, ob sie wirklich geschehen sind oder nicht, dann stimmt etwas gewaltig mit diesem Argument nicht.

Alles, was man von Hume mitnehmen sollte, ist Wunderberichten mit dem gesunden Menschenverstand zu begegnen, die Beweise und Indizien zu begutachten und zu beurteilen, ob es vorliegenden Fall begründet ist, an ein Wunder zu glauben oder nicht. Mit anderen Worten, man soll nicht leichtgläubig sein, wenn jemand ankommt und behauptet, dass er grad ein Wunder erlebt hat.

Wenn Gott existiert, dann kann er auch handeln, sowohl natürlich als auch übernatürlich. Wunder sind übernatürliches Handeln Gottes. In den noch folgenden Beiträgen der Reihe „12 Punkte um zu zeigen, dass der Christliche Glaube wahr ist“ klären wir die Frage, ob speziell die Wunder glaubwürdig sind, über die in der Bibel berichtet wird.

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Eine Antwort

  1. Freddy Baum sagt:

    Gottes Legitimation seiner Wunder

    Ich glaube, dass es bei den Wundern Gottes auch den Aspekt der Gerechtigkeit Gottes gibt. Gesetzlosigkeit ist Ungerechtigkeit und Ungerechtigkeit ist dem gerechten Gott nicht möglich.
    Selbstverständlich sollte es einem allmächtigen Gott möglich sein, seine selbst installierten Naturgesetze zu überschreiten. Ich frage mich, ob er das auch will und von seinem gerechten Wesen her überhaupt tun kann. Von seinem eigenen Wesen her ist ihm dies nämlich trotz seiner Allmacht nicht möglich. Es liegt eine Einschränkung seines Tuns vor, die in seinem Sein begründet liegt. (Typologische Parallelen hierzu sind der König Ahasverus aus dem Buch Esther, der sich als Regent selbst nicht über sein erlassenes Gesetz erheben konnte, sondern lediglich einen Gegen-Erlass herausgab und Dan. 6,9.)

    Aber selbstverständlich hat Gott sehr viele biblisch bezeugte Wunder gewirkt. Dass Wunder generell möglich sind, hast Du im vorliegenden Artikel sehr logisch und gut dargelegt. Danke dafür.

    In diesem Kontext halte ich Mt. 8,16+17 für wichtig:

    Als es aber Abend geworden war, brachten sie viele Besessene zu ihm; und er trieb die Geister aus mit seinem Wort, und er heilte alle Leidenden,
    damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet ist, der spricht: „Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten.“

    Mt. 8,17 ist jedoch ein Zitat aus Jes. 53,4, wo es prophetisch um das Opfer Jesu auf Golgatha geht. Folglich hat Jesus für die Wunder der Heilung vieler Menschen auf Golgatha bezahlt. Der Fleisch gewordene Gott konnte deshalb Wunder tun, weil sie durch die Bezahlung mit seinem Blut (später) gerechtfertigt wurden und so seiner Gerechtigkeit entsprachen. Er konnte seine eigenen göttlichen und damit gerechten Naturgesetze überschreiten, ohne dabei selbst ungerecht, also ungöttlich zu werden.

    In diesem Kontext sehe ich das Wirken der Gesetzlosigkeit in Mt. 7,22+23 gemäß der Zürcher Bibel:

    Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen als Propheten geredet, in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in deinem Namen viele Wunder getan?
    Dann sollen sie von mir hören: Ich habe euch nie gekannt! Geht weg von mir, die ihr das Gesetz missachtet!

    Die „Wirker der Gesetzlosigkeit“ (DaBhaR Übersetzung) sind alle Wundertäter, deren Wunder nicht durch das Opfer Gottes auf Golgatha legitimiert sind, d. h. die zwar „Herr, Herr“ sagen, aber in Wirklichkeit nicht gerettete Pseudo-Christen sind.

    Die Wunder Satans sind Überschreitungen der gerechten und heiligen (Natur-) Gesetze Gottes. Die Wunder Jesu sind hingegen durch sein eigenes Opfer legitimierte (gesetzmäßig bezahlte) Wunder, die Gottes Gerechtigkeit und Gesetzestreue deshalb nicht in Frage stellen.

    Gottes Segen für Deine überaus wichtige Website!
    Freddy

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